Anrechnung von Spitzböden im Sachwertverfahren

geschrieben von Ali Altunay am 07.Jun.2018

Wie lässt sich im Sachwertverfahren der Spitzboden berücksichtigen?

Diese Frage wird derzeit von Sachverständigen für Immobilienbewertung häufig gestellt. Um einen Überblick und Empfehlung zum Thema geben zu können habe ich die einzelnen Quellen und Meinungen zusammengefasst.

DIN 277

Bezugsmaststab der NHK2010 ist bekanntlich die Bruttogrundfläche (BGF) nach DIN 277. Die Bruttogrundfläche eines Spitzbodens ist nach den Vorgaben der DIN 277 bei der Ermittlung der BGF grundsätzlich zu berücksichtigen, soweit die im Spitzboden zusätzlich vorhandene Grundrissebene „nutzbar“ i. S. der DIN 277 ist.

Die Nutzbarkeit setzt voraus:

  • ausreichende Höhe
  • begehbare Decke
  • feste Treppe /Zugänglichkeit

In der Verkehrswertermittlung wird die BGF in Anlehnung an die DIN 277 ermittelt. D.h. die DIN 277 wird nicht in allen Punkten umgesetzt. Es entsteht eine BGF die in die Wertermittlungsliteratur als sogenannte „reduzierte BGF“ eingegangen ist. Zur Klärung der richtigen Vorgehensweise bei Spitzböden ist die DIN277 deshalb alleine nicht entscheidend.

Sachwertrichtlinie:

Nach Nr. 4.1.1.4 Abs. 4 der Sachwertrichtlinie soll abweichend von den Grundsätzen der DIN 277 auch ein nutzbarer Spitzboden, d. h. ein mit einer begehbaren Decke und über eine feste Treppe erreichbarer Spitzboden nicht in die BGF eingehen. Unter Nr. 4.1.1.5 Abs. 3 Satz 4 der Sachwertrichtlinie heißt es, dass ein ausgebauter Spitzboden (zusätzliche Ebene im Dachgeschoss) „durch Zuschläge zu berücksichtigen“ sei. Die Höhe des Zuschlags sei durch den Sachverständigen zu begründen.

Arbeitsgemeinschaft der oberen Gutachterausschüsse in NRW (AGVGA)

Nach dem Modell zur Ableitung von Sachwertfaktoren der AGVGA-NRW darf der Spitzboden nicht in der BGF berücksichtigt werden (vergl. Anlage 5 des Modells zur Ableitung von Sachwertfaktoren der AGVGA-NRW). Nach dem Vorschlag der AGVGA NRW soll der Spitzboden durch einen Zuschlag berücksichtigt werden. Die vorgeschlagenen Zuschläge in Abhängigkeit von der Dachneigung, Giebelbreite und einem Drempel wurden jedoch bei den Sitzungen zur Sachwertrichtlinie abgelehnt und haben keine Aufnahme in die Sachwertrichtlinie gefunden.

Prof Kleiber

Prof Kleiber empfiehlt die Berücksichtigung eines nutzbaren Spitzbodens durch die Anrechnung zur BGF.

Dr. Sprengnetter

Dr Sprengnetter schlägt zur Berücksichtigung des Spitzbodens die Anrechnung über die Wohnfläche vor. Sprengnetter hat dazu die Bezugseinheit der NHK2010 Werte von BGF auf Wohnfläche umgerechnet.

Empfehlung für die Praxis:

Die Sachwertrichtlinie gilt als allgemein anerkannte Regel für die Immobilienbewertung. Sie ist als Richtlinie zwar für den Sachverständigen nicht verbindlich aber wird in Streitfällen zur Entscheidungsfindung herangezogen und entwickelt dadurch insbesondere bei gerichtlichen Auseinandersetzungen meistens eine defacto Verbindlichkeit für die Sachverständigen. Sofern der jeweilige Gutachterausschuss keine konkreten Vorgaben zur Berücksichtigung des Spitzbodens macht oder bei der Ableitung der Sachwertfaktoren keine konkrete Vorgehensweise in Bezug auf den Spitzboden anwendet, sollte der Sachverständige sich an der Sachwertrichtlinie orientieren und den nutzbaren Spitzboden über einen Zuschlag berücksichtigen.

Der pauschale Ansatz über die BGF kann im Einzelfall zu Fehlern führen. Der Grad der Nutzbarkeit eines Spitzbodens oder die Ausstattung bei ausgebauten Spitzboden variieren sehr stark. Bei der Berücksichtigung des Spitzbodens durch Anrechnung zur BGF können Unterschiede hinsichtlich des Grades der wirtschaftlichen Nutzbarkeit nicht ausreichend erfasst werden, die insbesondere auf Unterschieden der Dachkonstruktion, der Gebäudegeometrie und der Giebelhöhe beruhen können. Ob ein Spitzboden als Aufenthaltsraum genutzt werden darf, richtet sich zudem nach bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Über einen durch den Sachverständigen auf den Einzelfall bezogenen objekt- und marktspezifischen Zuschlag kann am besten sichergestellt werden, dass es nicht zu einer Über- oder Unterbewertung des Spitzbodens kommt.